Medienkrise: Print > Online > und wieder retour

Allerortens Krisenstimmung bei den Printmedien: Die Anzeigenverkäufe sind drastisch zurückgegangen, das Publikum wandert zunehmend von gedruckten zu elektronischen Medien, für die es bis jetzt aber kein funktionierendes Geschäftsmodell gibt. Wie wird es weitergehen?
Der amerikanische Journalist John Nichols zeigt sich frank und frei recht pessimistisch: Das Modell der „Old Media“ sei schlichtweg tot, jenes der „New Media“ funktioniere nicht. Und der Ausweg? John Nichols sieht ihn nur durch „Government Intervention“ – und beruft sich dabei auf die Gründerväter der Vereinigten Staaten, die bewusst den Aufbau der Massenmedien gefördert hätten.
Staatliche Interventionen für eine Branche der Privatwirtschaft, die in den vergangenen Jahren Gewinne wie kaum eine andere eingefahren hat – das klingt in den USA reichlich ungewöhnlich. John Nichols ist mit dieser Forderung aber keineswegs alleine. Und wie lange es noch gedruckte Tageszeitungen geben wird, ist eine Frage, die derzeit viele beschäftigt. Wer das haptische Erlebnis des Papiers seit Langem gewohnt ist, wird es vielleicht weiterhin zu schätzen wissen, vor allem dort, wo Hochwertigkeit ausgedrückt werden soll.
> Mehr dazu:
Deutsche Kommunikationszeitung Horizont: Printkrise: Was den Verlagen fehlt
Beiträge auf K2 zur Krise der Printmedien, über den Trend zu Gratis-Cotent und zur Zukunft des Qualitätsjournalismus

Brauchen wir einen Marshallplan für die Printmedien?

Die Krise der Printmedien interessiert mich schon länger, in einer eigenen Serie war darüber auf K2 schon einmal ausführlich zu lesen („Gut oder gratis„). Letztens erschien in der Wochenzeitung „Die Zeit“ ein Beitrag, in dem Stephan Weichert und Leif Kramp von der Hochschule Hamburg gleich einen „Marshallplan“ zur Rettung der Zeitungsbranche forderten.
Das erinnert mich an einen ähnlichen Beitrag in der New York Times vom 28. Jänner 2009. Auch dort fand ein Printmedium prominente Autoren, um für finanzielle Unterstützungen zu werben. Was mich daran stört, ist doch das starke Eigeninteresse, für das hier das eigene Blatt instrumentalisiert wird. Und die verkürzte Argumentation: Die Krise der Printmedien wird gleichgesetzt mit einem Sterben des Qualitätsjournalismus. Das ist wohl doch zu einfach gedacht. Bei allem berechtigen Problembewusstsein: Qualitativ hochwertige Information ist auch im Internet möglich – und befruchtender Diskurs erst recht.
Der Beitrag zum Marshallplan ist natürlich trotzdem in der Online-Präsenz der Zeit zu finden – deren sich die Wochenzeitung ja ansonsten sehr rühmt.

Verstaatlichung als Ausweg für US-Zeitungen?

Newsroom von Le Figaro (Quelle: Gabju)

Zeitungen wie die New York Times sollten in geförderte Non-Profit-Organisationen verwandelt werden, fordern die beiden Finanzanalysten David Swensen und Michael Schmidt als Lösung für die aktuelle Print-Medienkrise, die die Meinungs- und Pressefreiheit gefährde. In einem Gastkommentar in der New York Times vom 28. Jänner 2009 veranschlagen sie für die New York Times eine jährliche Unterstützung von fünf Milliarden Dollar. Damit haben sie eine Diskussion gestartet, der sich auch Steven Coll, zweifacher Pulitzer-Preisträger und ehemaliger Mitherausgeber der Washington Post, anschließt: Er kalkuliert mit einer jährlichen Förderung von zwei Milliarden Dollar für die Washington Post, berichtet die ORF Futurezone.

Das Thema reicht aber bereits weiter zurück: Die Journalistin Bree Nordenson setzte sich bereits im August 2008 mit den finanziellen Problemen der Print-Medien durch die Konkurrenz des kostenlosen Online-Contents auseinander – und ihre Forderungen waren durchaus ähnlich ungewöhnlich für US-Verhältnisse (auf K2 war darüber zu lesen).
Mehr dazu:
K2: Die Antworten deutscher Verlage auf die Finanzkrise
WebWriting-Magazin: Wie klassiche Medien online mehr Geld verdienen könnten

Gut oder gratis III: Killer versus Filler Content in Web 2.0

3. Teil meiner Serie zu Gratis-Content online und offline, zu den Auswirkungen für Qualität sowie Informationsvielfalt und zu neuen Geschäftsmodellen für Medienunternehmen.

Jüngste Zahlen bestätigen es gerade wieder: Nachrichten werden zunehmend online konsumiert. Die 20 meistgenutzten News-Portale Deutschlands wurden im ersten Quartal 2008 1,2 Milliarden Mal besucht. Das entspricht einer Zunahme von 33 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (Quelle: PR-Portal).

Das Leitmedium Spiegel Online hat vor kurzem seine kompletten Archive geöffnet und eine neue Wissens-Plattform gestartet. Viele wollen diesen Erfolg kopieren, andere versuchen eigene gewinnträchtige Modelle zu kreieren, so wie das etwa der Zeit mit einer Kooperation mit Parship gelungen ist. Qualität ist das oberste Credo im Online-Auftritt, sagt Zeit-Geschäftsführer Rainer Esser im Interview mit dem deutschen Horizont (23. Mai 2008): „Low-Key-Portale wie Web.de, AOL oder GMX sind mit Abrechnungsmodellen unterwegs, bei denen die Klickhäufigkeit das entscheidende Kriterium ist. Solche Modelle sind für uns betriebswirtschaftlich wenig attraktiv. Unsere Preislisten basieren auf der hohen Qualität der Marke und orientieren sich daher weiterhin nach Tausend-Kontaktpreisen.“

In den Online-Bereich investiert auch die Holtzbrinck-Gruppe, im Sommer 2008 wird es einen Relaunch für Handelsblatt.de geben, kündigt Chefredakteur Bernd Ziesemer an: „Wir stellen uns im Internet spitzer auf, verabschieden uns von Randbereichen – etwas Bildergalerien, die zwar Klicks bringen, aber nicht zu uns passen – und konzentrieren uns auf die intelligente Verknüpfung hochwertiger Inhalte mit Datenbanken.“ Was immer das heißen mag.

Die Kreativität im Online-Bereich wird auf jeden Fall noch viele neue Produkte auf den Markt bringen. Interessant ist zum Beispiel das Online-Infoservice der Polit-Aktivistin Arianna Huffington. Sie startete 2005 ihr Projekt Huffington Post: Hier finden sich jede Menge Links zu Blogs, Nachrichten des Tages, Fotos und Videos. Nur ein geringer Teil davon ist eigener Content, primär wird auf eine bunte Mischung fremder Sites verlinkt – die wechselseitige Verlinkung hilft beiden Seiten bei solchen News-Aggregators.
> Das nächste Mal: Was die Medien in den USA heute und unsere morgen plagt

Gut oder gratis II: Neue Geschäftsmodelle für Verlagshäuser

2. Teil meiner Serie zu Gratis-Content online und offline, zu den Auswirkungen für Qualität sowie Informationsvielfalt und zu neuen Geschäftsmodellen für Medienunternehmen.

Quer durch Europa haben sich in den vergangenen Jahren neue Gratiszeitungen etabliert. Walter Braun beziffert im Bestseller vom April 2008 ihre weltweite Verbreitung auf 70 Millionen Leser pro Tag. In einem Dutzend europäischer Länder hat eine Gratiszeitung bereits die höchste Reichweite, an einsamer Spitze liegt die Schweiz.

Laut Regioprint drucken Gratismedien in Österreich bereits 600 Millionen Exemplare pro Jahr, 2000 waren es noch 145 Millionen. Zu den traditionellen Regionaltiteln kamen in den letzten Jahren die Gratistageszeitungen wie Heute, Österreich und Oberösterreichs Neue hinzu, aber auch kostenlose Magazine wie Weekend, Active Beauty und Red Bulletin. Es zeigt sich: Gratismedien werden zunehmend spezialisierter.

Walter Braun sieht im Bestseller die kostenlosen Produkte als Reaktion auf eine Marktübersättigung, durch die nun auch klassische Bezahlsegmente mit Gratistiteln abgegrast werden. Die Frage für ihn ist jedoch, wie nachhaltig sich diese Geschäftsmodelle rechnen lassen: „Bei einer spürbaren wirtschaftlichen Abschwächung könnten Bezahlmedien zumindest auf ihre Abonennten zurückgreifen, während einige Gratisblätter rasch die Kurve kratzen würden. Möglicherweise ist 2008 der Höhepunkt dieses Phänomens.“

Ganz anders sieht das Eva Dichand, Herusgeberin von Heute, im Horizont vom 2. Mai 2008 : „Wirtschaftlich gesehen werden die Gratiszeitungen diejenigen sein, die am längsten überleben, weil sie auf relativ billige Art und Weise eine vergleichsweise hohe Reichweite erreichen. Ich glaube aber nicht, dass irgendwer sein Presse-, Standard- oder Krone-Abo abbestellt, nur weil er in der Früh Heute liest.“

Also, es geht natürlich um den Faktor Kosten: Bei den traditionellen Zeitungen fällt hier die Hauszustellung stark ins Gewicht, die aber entscheidend ist, um Leser als treue Abonennten zu halten. Das erklärt auch, warum die deutschen Verlage so sensibel auf das Projekt Online Aktuell der Deutschen Post reagierten. Die kostenlose Wochenzeitung zu IT- und Web-Themen wäre im Vertrieb durch die Briefzustellung ganz einfach quersubventioniert worden. Auch die neuen Gratistageszeitungen sparen hier enorm ein, da nur eine beschränkte Anzahl von Verteilboxen mit einigen tausend Exemplaren nötig ist.

Kaufzeitungen argumentieren meist mit dem Argument Qualität, das dem Geschäftsmodell auch in Zukunft Erfolg versprechen soll: „Die Zeitung ist kein Nachrichtenmedium mehr, sondern ein Erklär-Medium. Die letzte Möglichkeit, eine Tageszeitung als Nachrichtenmedium zu führen, ist, wie es Heute macht – als kompakter Nachrichtenlieferant“, sagt Presse-Chefredakteur Michael Fleischhacker ebenfalls im Horizont vom 2. Mai 2008. Zugleich ist ihm bewusst, dass gerade die junge Generation von kostenlosen Grundinhalten ausgeht: „Wenn sich das weiter durchsetzt, kann es passieren, dass alle Kaufzeitungen zu Gratiszeitungen werden. Dann beginnt das dritte und letzte Leben der Zeitung.“

Konträr dazu die Meinung des Leipziger Professors Michael Haller: Gratiszeitungen sind für ihn ein Übergangsphänomen, das künftig durch mobile Devices abgelöst wird. Er hofft in einem Beitrag bei ORF Science, dass die überwiegend jungen Leser der kostenlosen Medien künftig auch für bezahlte Publikationen zu gewinnen sind: „Die von uns ausgewerteten Erhebungen brachten zutage, dass sich viele junge Erwachsene das Kaufen und Lesen der lokalen Abonnementszeitungen aufsparen für die Lebensphase, in der sie sich selbst etablieren und andere Orientierungsbedürfnisse entwickeln, die von den jungen Fast-food-Medien nicht gestillt werden können.“

> Das nächste Mal: Killer versus Filler Content in Web 2.0

Gut oder gratis I: Wer kann mit kostenlosem Content überleben?

Auftakt zu einer Serie auf meinem Blog: zu Gratis-Content online und offline, zu den Auswirkungen für Qualität sowie Informationsvielfalt und zu neuen Geschäftsmodellen für Medienunternehmen.

Die aktuelle Debatte in Deutschland zeigt gerade sehr gut, was die neue Welt der Medieninhalte alles in Bewegung bringt: ARD und ZDF investieren in vollwertige News-Portale im Web – und begründen das mit ihrem Informationsauftrag. Besonderer Zankapfel ist das text-aufwändige Angebot der Tagesschau .

Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger sieht dadurch die werbefinanzierten Online-Portale der Medienhäuser in Gefahr. Tatsächlich entsteht bei den öffentlichen Rundfunkanstalten viel kostenloser, werbefreier Content, der das Anzeigengeschäft der Verlage untergräbt. Die öffentlich-rechtlichen Sender argumentieren demgegenüber mit der Abwanderung der Zuseher ins Web, die neue Angebote erfordere.

Dahinter steht eine strategische und existenzielle Frage: Womit werden Medienhäuser künftig Gewinne erzielen können? Junge Zielgruppen wandern zunehmend ins Internet ab, dort werden sie aber primär mit Gratis-Content erreicht – oder über Social Networks. Nur zum Teil können sich die Webportale durch die Anzeigeneinnahmen finanzieren, die Quersubventionierung aus dem Print-Bereich steht aber auf immer wackeligeren Beinen: Denn die Reichweite der deutschen wie der österreichischen Printmedien geht zurück – das hat natürlich Auswirkungen auf die Anzeigeneinnahmen.

Wie sich all das in Zukunft rechnen soll, ist tatsächlich die Frage, gerade angesichts aktueller Zahlen des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW). Demnach beliefen sich die Werbeinvestitionen in Deutschland 2007 auf 30,78 Milliarden. Die Einnahmen der klassischen Medien erhöhten sich nur um 1,8 Prozent. Bei einer Inflation von 2,2 Prozent bedeutet das de facto bereits einen Rückgang – die Werbeetats verlagern sich zumindest zum Teil in Richtung Internet.

> Mehr zum Konflikt zwischen Rundfunk und Verlagen:

PR-Portal

> Das nächste Mal:

Die neuen Geschäftsmodelle von Gratismedien